Meisterstück von Henriette Aichinger / Studiengang Kunst / Kunstpädagogik / Klasse Stella Geppert

Henriette Aichinger
My 500 years old children


Im Rahmen ihres Meisterschüler*innenstudiums bei Prof. Stella Geppert entwickelte Henriette Aichinger einen Werkkomplex aus vier zusammenhängenden Teilen: einer performativen Führung mit dem Titel "my 500 years old children", einen Film zur Führung mit dem Titel "Hinter der Mauer beginnt das Meer" und einen Film zum Projekt und seinen Hintergründen. Ein weiterer Teil der Arbeit ist das rote Tuch, „das Arbeiterkampflied"; ein sichtbarer Eingriff in den Raum.


my 500 years old children – eine performative Führung

Was macht der Weg, die Überlieferung, der Transport einer Information mit dem Ausgangspunkt? Was kann gleichzeitig an ein und der selben Stelle sein; begegnet sich, schichtet sich? An beispielsweise einem Ort in Halle an der Saale.

Henriette Aichinger verwebt in ihrer Arbeit my 500 years old children – vom Gebäude des Volksparks und seiner „Landschaft“ inspiriert – historische, autobiografische und fiktionale Geschichten so, dass der öffentliche Raum – in der Vorstellung der Betrachter – umfunktioniert bzw. verändert wird. Ein Umräumen findet statt. Das Erzählen, die Geste, das Tönen und das Gehen sind die Mittel, um dieses „Erlebnis" zu erschaffen.

Durch Improvisationen beginnt sie den Versuch einer Einfühlung. In Straßenecken, Arbeiter*innen und Pflanzen. Protagonist*innen die mit dem Volkspark in Berührung gekommen sind. Um ein Bild, von vielen möglichen Bildern zu kreieren. Und uns dann wiederum die Möglichkeit zu geben, anders sehen bzw. gehen zu können.
(Dauer der Führung: ca. eine Stunde, Gruppengröße ca. 15 Personen)

Ein weiterer Teil der Arbeit ist das rote Tuch, „das Arbeiterkampflied“; ein sichtbarer Eingriff in den Raum. Es nimmt Bezug auf die Geschichtsträchtigkeit des Volksparks und seiner Idee vom „Heim" der Arbeiterklasse. Im Vorfeld rief die Künstlerin dazu auf, ihr einzelne rote Tücher zukommen zu lassen (einst Erkennungsmerkmal beim Einlass zu politischen Kundgebungen), um sie zu einem Ganzen zu verbinden. „Gewachsen“ ist ein Banner, welches denen vor Ort zur Seite „steht“. Es hing für 3 Monate am Volkspark in Halle.


Hinter der Mauer beginnt das Meer – ein Film zur performativen Führung my 500 years old children

Wie transformiere ich ein performatives Gruppenerlebnis in ein flaches Medium, mit kleinem Ausschnitt? Die online abgehaltene Meisterschüler-Prüfung hat zu einer eigenständigen Arbeit geführt.

Im Film zur performativen Führung kombiniert Henriette Aichinger das unbearbeitete Probematerial mit Audio- Aufnahmen von vor Ort. Kulissenbeschreibungen sind zu hören, Performative Momente des Erarbeitungsprozesses sind zu sehen. Sie transformiert also den Blick auf ihren Arbeitsraum, indem sie ihm ein akustisch neues Gewand anzieht. Damit nimmt sie den Vorgang der Informations-Überschreibung und Raum Umdeutung, wie er auch in der Performance stattfand, als Mittel mit auf. Die Imaginationskraft des Betrachters jedoch wird, ganz anders als in der Führung, herausgefordert. Die Konzentration liegt sehr viel mehr auf der Künstlerin – auf ihrer Person – einem einzelnen Körper und seinen Requisiten. Denn die Ablenkungen vom lebendigen Umraum fehlen.

Die performative Führung „my 500 years old children“ versteht die Künstlerin als Einladung und Geschenk an den Volkspark und seine Besucher. Den Film „Hinter der Mauer beginnt das Meer“ widmet sie hingegen einer einzelnen Arbeiterin, stellvertretend für viele. Sie bewegt sich dabei zwischen dokumentarischem und fiktivem Erzählen.

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my 500 years old children – der Film

Die Meisterschüler*innen-Ausstellung take-off 2021 fand in den ehemaligen Räumen des Volkspark-Restaurants statt, der Galerie im Volkspark. Dort platzierte Aichinger ihre Performance – also einen nicht wiederholbaren Moment – indem sie ihr Arbeitsmobiliar und den Film my 500 years old children installierte. Aufnahmen vom Nähen des roten Tuchs werden darin mit Textauszügen kombiniert, welche die Meisterschülerin über den Erarbeitungszeitraum hinweg notierte. Darin greift sie das Thema der Zeit, der Zeit-Punkte und der künstlerischen Arbeit als Fabrikerzeugnis (erneut) auf.

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