MARGINALIA
eine variable Sammlung von Wort und Bild, 2022/2023
Marginalien [von lat. margo, marginis „Rand“] sind Kommentare, Verweise oder kritische Anmerkungen und an den Rändern von z.B. Buchseiten zu finden; marginal bedeutet am Rande, auf der Grenze liegend, nebensächlich. Am Rand liegen fortlaufend Momente, Eindrücke, Informationen, und ich hebe sie auf; in Bild und in Wort. Eine Auswahl davon ist in der Installation MARGINALIA zu sehen.
Die betrachtende Person ist von einer Sammlung von ca. 30 Fotografien und 50 Zetteln mit kurzen Texten umgeben, eine klare Betrachtungsrichtung gibt es nicht. Sowohl Texte als auch Bilder stehen für sich, sind nicht seriell konzipiert. So, wie die Fotos keine Illustrationen der Texte, so sind auch die Texte nur selten Beschreibungen der Fotos. Trotzdem gehören sie zusammen, stehen gleichwertig nebeneinander, ergänzen sich, versuchen die Waage zu halten. Bilder beginnen wo Sprache endet, und umgekehrt. Notizen in Bild und Schrift.
Im Zwischenspiel des visuell ungewichteten Auf und Ab entspinnt sich in der Summe von Lektüre und Bild ein Gedankenraum, in dem die Person sich bewegen und widerspiegeln kann.
Dabei lassen sich die Texte, auf einfaches Papier gedruckt, als das verstehen, was sie sind: Unkomplizierte Hilfs- und Transportmittel für das sonst unsichtbare Wort, reine Informationsträger zur Kommunikation. Schrift auf Zetteln. Sprache als Material. Überraschende Sachinformationen und Schilderungen von Momenten, die inhaltlich zwar auf persönlichen Erfahrungswerten beruhen, aber eine menschliche Allgemeingültigkeit bewahren. Den Betrachtenden durch die Formulierung der Texte in der 2. Pers. Sg. direkt einbeziehend, wird dieser, sich potentiell unerwartet selbst wiedererkennend, mit kurzen Eindrücken von Situationen und Emotionen konfrontiert.
Texte und Bilder lassen sich vage in vier Bereiche einteilen, die die Unbeholfenheit und doch hoffnungsvolle Hilflosigkeit im menschlichen Sein, Zwischenmenschlichen, alltäglichen Wunder dieser Welt, die uns prägt und umgibt, und dem ewigen Rätsel ausloten. Pro Bereich findet sich eine inszenierte Fotografie – beschriftete, alltäglichvertraute Gegenstände in Originalgröße sind in einem scheinbaren Alltag platziert, aber irgendwie ist etwas anders, ungewohnt. Die Gegenstände sind leicht abgewandelt, kommentieren sich selbst.
Ein Irritationsmoment; plötzlich rückt der Rand, das Beiläufige kurz in die Mitte.
Sie finden sich zwischen den anderen Fotomotiven mit tatsächlich vorgefundenen Alltagsszenen, die zunächst banal erscheinen mögen, spätestens aber durch meine Bildtitel eine neue Wahrnehmung zulassen. Dem Vergleich kann ich mich dabei oft nicht entziehen, er passiert mir einfach; das Himmlische im Weltlichen sehen, obwohl oder vielleicht besonders weil mir das Religiöse so fern liegt. Es ist doch alles hier.
enigma | 2022/23 |
Fotografie | Digitaldruck auf HFA Matt Fibre | 20×13,5cm