Erinnerungskörper — Die Transformation humanoider Werkstoffe zu
Trauerartefakten am Beispiel von Memorialschmuck

Kurzbeschreibung, Interesse und Motivation der Masterthesis
— Jennifer Pluskat

 

Die Vielfalt der Entwicklung von Erinnerungsmedien faszinierte mich schon lange; insbesondere solche Trauerartefakte, welche nicht nur ein Andenken an eine Person verkörpern, sondern sogar aus deren sterblichen Überresten selbst gefertigt wurden. Somit haben Verstorbene leibhaftigen Anteil an Artefakten, welche zeitgleich post mortem an sie erinnern. Ist es nicht tröstlich, ein Stück der Eltern, des Partners oder einer anderen nahestehende Person nach ihrem Ableben zu behalten und als beständige Spur ihres Daseins zu bewahren?

 

 

Abstrakt

 

Im Laufe der Geschichte hat die Menschheit zahlreiche Wege beschritten, um sowohl mit der Unvorstellbarkeit des eigenen Todes als auch mit dem Tod der Mitmenschen umzugehen. Bereits im Reliquienkult war die Materialität der Toten eng mit deren Sichtbarkeit verbunden und fand in natürlich konservierten Körperteilen dinglichen Ausdruck. Die bewusste Suche nach physischen Reminiszenzen startet mit dem Wissen um die Flüchtigkeit der Erinnerung. Spätestens seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert etablieren sich Andenken, um welche sich konkrete Lebensgeschichten ranken, als fester Bestandteil der Erinnerungskultur.
Das Haar einer verstorbenen Person als Schmuckobjekt am eigenen Körper zu tragen, war insbesondere im 19. Jahrhundert eine weit verbreitete Praktik des Trauerns und Gedenkens. Auf diese Weise fand das intime Erinnern an einen geliebten Menschen auch über einen beständigen Teil seines vergänglichen Leibes Ausdruck. Während die tradierten, künstlerischen Haargeflechte Anfang des 20. Jahrhunderts fast gänzlich verschwanden, befinden sich gegenwärtig neue Techniken zur Verarbeitung menschlichen Körpermaterials auf dem Vormarsch. Darunter ein Industriediamant, entstanden aus der Transformation von Kremationsasche oder dem Haar Verstorbener. Mit der postmortalen Verwendung humanoider Werkstoffe zum Zwecke des Totengedenkens folgt die neuartige Hightech-Reliquie offensichtlich seinem historischen Vorgänger. Doch verfügt der synthetische Edelstein auch über dieselbe Wirkmacht?

Die Arbeit untersucht die ungleichen Materialitäten und Formgebungen der genannten Trauerartefakte und analysiert inwiefern die sinnliche Erfahrbarkeit der leiblichen Andenken die produktsprachlichen Funktionen beeinflusst. Zentral für die Beantwortung der Forschungsfrage ist demnach die eingehende Betrachtung der historischen sowie der gegenwärtigen Gedenkpraktik und der zugehörigen Artefakte. Der direkte Vergleich beider Untersuchungsgegenstände bildet unter Zuhilfenahme vielfältiger Literaturquellen, Medienpräsenzen und Fachgespräche das theoretische Gerüst dieser Arbeit.

Die Ergebnisse zeichnen ein verzahntes Bild produktsprachlicher wie gesellschaftlicher Einflussfaktoren. So spiegeln sich in der Materialität und der Formgebung beider Erinnerungskörper unter anderem immanente Bedeutungskontexte. Bilanzieren lässt sich, dass öffentlich getragener Schmuck aus Haar ein eindeutiges Kennzeichen des Gedenkens darstellt, wohingegen ein Erinnerungsdiamant als zeitgemäßes Andenken mit geheimer Bedeutung erstrahlt.

 

 

Die Autorin

 

Jennifer Pluskat arbeitet sowohl freiberuflich als auch angestellt in den Bereichen Grafikdesign, Text und Illustration und publiziert Fachartikel, welche sich schwerpunktmäßig mit dem Themenkomplex Kulturelles erbe sowie objektgestützter Erinnerung befassen.
Nach mehr als einem Jahrzehnt in der Werbebranche studierte die gebürtige Niedersächsin an der HfK Bremen (Hochschule für Künste Bremen) Integriertes Design. Darauf aufbauend absolvierte sie ihr Masterstudium an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.