Masterthesis von Eva Kristin Stein im Studiengang Design Studies (2010)
(for english version see below)
Designer | Material – eine Beziehungsanalyse
Eva Kristin Stein
Master Thesis Design Studies, 2010
Eva Kristin Steins' Masterthesis ist eine feldsoziologische Studie wie sich DesginerInnen Material annähern. Im Fokus steht dabei der Einfluss von Material auf die Arbeitspraxis und der daraus resultierende Legitimationsgewinn im Berufsfeld des Designs. In diesem Zusammenhang wird Material als ein Mittel zur Umsetzung kultureller Produktion in der Begriffsfassung von Pierre Bourdieu erforscht. In dieser Arbeit geht es daher nicht, - wie so oft im Designbereich üblich - um die phänomenologische Reflexion der sinnlichen Dingwelt, sondern um die aktuellen strukturellen Machtgefüge, die durch die Materialzugänge der AkteurInnen innerhalb des Feldes Design erzeugt werden. Theorien von Michel Foucault u.a. Poststrukturalisten unterstützen die empirische Auswertung.
Zu Beginn steht eine kritische Erläuterung neuerer wissenschaftlicher Perspektiven zu Material aus angrenzenden Wissensbereichen. Es folgt eine Einführung in die Begrifflichkeit des Materials, eine Erläuterung zur Methode der Feldforschung und zu bisherigen Klassifikationsmodellen von Material. Es folgt der Versuch einer Klärung von interessengeleiteten Materialzugänge im Design. Eine grobe Positionsanalyse von Herstellern und Nutzern dient dem 'Framing' des Problems von Materialkenntnissen. Experteninterviews und teilnehmende Beobachtungen entstanden daher im Arbeitsbereich der DesignerInnen und angrenzenden WissenschaftlerInnen, die sich in unterschiedlichen Positionen mit Material beschäftigen: aus dem Blickwinkel der Zugänge zu Produktionsmitteln kann eine exemplarische Analyse erstellt werden, die anschließend in einer relationalen Beziehungsanalyse noch weiter ausgewertet wird.
Da der Rahmen zur Darstellung hier nur begrenzt vorhanden ist und das empirische Material diesen sprengen würde, folgen nun noch einige Kernthesen und Schlussfolgerungen, um in etwa die Ausrichtung der Arbeit zu verstehen:
- Material ist immer ein normierter Zustand und unterliegt daher Klassifikationsmodellen (vgl. z.B. Papier in Grammatur, gestrichen/ungestrichen, Farbigkeit, usw.).
- Als Gegenbegriff zu dem fest definierten Begriff Material wird der Begriff der Stofflichkeit eingeführt, dem immer eine offene Verarbeitungsform zugrunde liegt. Material ist legitimiert, Stofflichkeit befindet sich im Gegensatz dazu immer noch in einer vorläufigen, experimentellen Aneignungsphase.
- Wenn von manchen Materialien die Verarbeitungstechnologien in Vergessenheit geraten oder das Wissen darüber nicht mehr in verarbeitenden Berufsgruppen vorhanden ist, entwickelt sich ein Material wieder zu einem Stoff zurück oder wird mit einem neuen Material in einer völlig anderen Stofflichkeit und Technologie nachgeahmt (vgl. hierzu z.B. Geflechte und Plastikgeflecht-Terrassenmöbel).
- Innerhalb kultureller Produktionen gibt es sowohl Neuheiten als auch Innovationen. Während Neuheiten lediglich Entwicklungssprünge innerhalb eines kleinen Spektrums darstellen, fußen Innovationen auf vorangegangenen, nachhaltigen Entwicklungen und reihen sich so in eine Entwicklungskette ein. Dabei fällt es DesignerInnen aus ihrem Berufsfeld heraus per se schwerer Innovationen zu erzeugen als anderen, institutionell etablierteren Disziplinen. Sie sind deshalb oft auf Kooperationen zu Virtuosen eines anderen Wissensgebietes (Maschinenbau, Elektrotechnik, Informatik, Gewerke) angewiesen.
- In der Herangehensweise an Material gibt es zudem eine polare Spannung zwischen EindruckdesignerInnen und AusdrucksdesignerInnen. Während erstere ihren Ausgangspunkt für Innovationen aus der Wissenschaft beziehen, orientieren sich die Zweiten an Herangehensweisen aus der Kunst sowie des Handwerks. Aus dieser polaren Spannung ergibt sich ein Autorenstandpunkt (Bourdieu) in gedoppelter Form, der aus diesen beiden Polen hervorgeht.
- Der wissenschaftlich orientierte Autorenstandpunkt tendiert überwiegend zu den Ingenieurswissenschaften. Die stoffliche Bearbeitung des Materials unterliegt damit zumeist einer massenproduktionstechnischen Optimierung. Während die Zugänge zu Materialentwicklungen hier tendenziell sehr groß sein können, verhindern aber die Verflechtungen in tradierte Machtgefüge in den meisten Fällen das maximale Entwicklungspotential, sondern verbleiben in der Verschiebung von Neuheiten in unterschiedliche Produktionsbereiche. Der außenwirksame Einfluss aus diesem Bereich heraus ist aber meist sehr groß.
- Der künstlerisch orientierte Autorenstandpunkt bedient sich Arbeitsweisen aus der Kunst. Mehr und mehr wird hier das Material explorativ, sinnlich und assoziativ in Frage gestellt. Die Auslösung der Materialität zugunsten einer freien Stofflichkeit wird hierbei in seiner stringentesten Ausformung nicht mehr auf Nutzbarkeit hin ausgerichtet. Akteure dieser Gruppe sind meist nicht in tradierte Materialentwicklungsgefüge integriert und haben auch nur schwer Zugang zu ihnen. Sie müssen daher den medialen Diskurs suchen, um Aufmerksamkeit für ihre Arbeit zu erhalten.
- Materialbibliotheken und -berater sind innerhalb dieses Gefüges als Normalisierungsfaktor (Foucault) zu sehen, da sie zur Legitimation von stofflichen Materialentwicklungen beitragen. Jedoch sind sie genau dadurch als Orientierungshilfe für den Autorenstandpunkt im Kontext von Material eher uninteressant, da sich Materialien hier bereits in einem ersten etablierten Zustand befinden.
Weitere sowie detailorientierte Fragen richten sie bitte gerne an ed.nietske@tsop .
Designer | Material – An Analysis of a Relationship
Eva Kristin Stein's master thesis is based on a field study which probed how designers approach material. It is focused on the influence of material in the working process, and the resulting gain of legitimacy in the field of design. Material is, in this regard, defined and researched as a tool of cultural production (Pierre Bourdieu). This work does not draw upon the phenomenal perspective of a sensual reflection of things, often seen in design studies. Rather, it seeks to reveal the power structure, and how it is created by the acquisition of material by those in the field. Theories of Michel Foucault and other post-structuralists support the empiric evaluation.
The thesis begins with a critical explanation of newer scientific perspectives on material of closely related fields of knowledge. Following this is an introduction in the terminology of material, an exemplification of the fieldwork's method, and hitherto created models of material classification.
Subsequently, the material acquisitions based on interest in design are explained. A rough analysis of various positions of manufactures and users serves to frame the problem of acquaintance with material, and shows how difficult it is to operate in this area with fieldwork. Interviews with experts and participant observation originated, thus, in the area of designers and scientists, all of whom engage with material in different ways and from various perspectives.
Regarding the approaches to production goods, it is possible to give a solid analysis, which accordingly, is further evaluated in an analysis of the relationship between designers and material.
It is obvious that in a setting like this it is not possible to show the whole empirical material. Therefore, you only find here several central theses and conclusions meant to give an impression of this work's focus :
- Material is always a standardized state, and is subjected to models of classification (e.g. paper in grammage, coated/uncoated, coloured, etc.).
- When you use a firmly defined term 'material', you need another term to describe its converse. In this case it is called 'Stofflichkeit' (English: materiality, but in this German use based on the chemical and technological composing, as an open form of valuable content). 'Stofflichkeit' is always open to any process. Material is always legitimated. 'Stofflichkeit' is always on its way to being established.
- If one loses a materials' manufacture technologies, or the knowledge of them is no longer available within the field of manufacture, they return to the status of 'Stofflichkeit' , or are imitated by another new material with a totally different 'Stofflichkeit'(cf. netting and newer plastic meshwork, woven terrace furniture).
- Within cultural productions there are novelties as well as innovations. As novelties are
only small developmental steps on a spectrum, innovations are based on previous and sustainable developments. They are part of a chain of innovations. For designers it is more difficult to launch innovations in their field of work than other more institutionally established disciplines. They have to often cooperate with virtuosos of other disciplines (Engineering, Informatics, Crafts...).
- In the working process there is also a conflicting tension between designers seeking to impress with those seeking to express. The first group uses science as their starting point for innovations. The second group bases their approach on the Arts and Crafts. From this dialectic position a standpoint of authorship (Bourdieu) results in doubled form from these two positions.
- The scientific standpoint of authorship tends to orientate itself with the field of Engineering. The 'stofflich' working process is based on an optimization of mass production. While the accrual of material development could be quite great in this area, the traditional interdependence within the power structure often inhibits this potential development. This causes a shifting of novelities to different fields of production, however, this area is often very influential in the field of design.
- The artistic standpoint of authorship uses the work methods of the arts. Material is called into question experimentally, sensually and associatively. The production of materiality in support of a free 'Stofflichkeit', in its most stringent implementation, is not geared towards usability. Artists in this group are, for the most part, not integrated within the power structure of material developments. It is difficult to gain access when working with this approach. They have to seek an intermediary discourse in order to receive recognition for their work.
- Material libraries and consultants within this structure are meant to be seen as normalisation elements (Foucault), because they tend to legitimate 'material' (stofflich) developments. However, by acting as a source of orientation, they are useless from the standpoint of authorship in the context of materiality because these 'materials' are not yet fully established.
For more details, feel free to contact me at ed.nietske@tsop.