Atelier 1 Präsentation von Lea Osenberg – WS 21/22

Lea Osenberg – Atelier 1 Präsentation im WS 21/22, Klasse Stella Geppert


Aus dem Raster
(Weberei Baumwolle, Polyester, 200x130 cm, 2021)


Aufbauend auf die Arbeitsreihe Habit:Tat setze ich in dieser Arbeit die elementare Seegras Weberei in den Kontext der hochtechnisierten Jaquard-Weberei. Die selben Prinzipien nutzend, das Auf- und Ab der Fäden, bilde ich mit feinen Polyester- und Baumwollgarnen das Strichbild einer Seegras-Weberei ab. Den feinen und ordentlich im Raster formatierten Kett- und Schussfäden steht dabei die Abbildung der unebenen Seegras Struktur gegenüber. Die wiederwillige Eigenschaft des Seegrases erlaubt keine Gleichförmigkeit, sondern fordert die Akzeptanz des Ausbruchs. Die Knoten und hervorstehenden Enden der einzelnen Gräser prägen das Bild des unebenen Rasters, brechen es auf, brechen aus. Dieser abgebildete Ausbruch steht im Kontrast zur Ordnung der sie abbildenden Fäden. Neben der feinfühligen Ergründen und Gegenübersetzung der Materialien steht dabei für
mich im Fokus mich mit Liniensysteme zu beschäftigen. Dem Wunsch zu Ordnen, eine perfekte Gleichförmigkeit zu kreieren stellt sich in der Beschäftigung mit Linien der Wunsch entgegen auszubrechen, frei zu sein. Die Form des Ausbruchs ist in der Ordnung der gewebten Linien abgebildet und bringt damit diesen Zwiespalt zum Ausdruck.


Nach Strich und Faden
(Graphit, Öl auf Papier, verschiedene Größen, 2021)


In der Serie NACH STRICH UND FADEN verfolge ich das Bedürfnis Striche zu setzen und zu finden, die ich jedoch nicht mit der eigenen Hand ziehen muss.
Dabei ergründe ich die natürlichen Liniensysteme, die in textilen Materialien zu finden sind. Über die Frottage der gefundenen und platzierten linienhaften Objekte beeinflusse ich welche Linien, Liniensysteme und Raster entstehen. Mit Hilfe von Graphitpulver arbeite ich, an archäologische Grabungen erinnernd, die Eigenheiten der gewählten Materialien hervor und ergründe welche Strichsysteme sich in diesem Prozess auftun, mich dort aufhaltend wo ich ein besonderes Interesse verspüre. Ich leite damit das Material aber lasse mich ebenso von ihm leiten. Zwischen der Auswahl, Platzierung und dem Herausarbeiten tut sich ein Dialog zwischen mir und den Materialien auf. Der Prozess ist geprägt von Kontrolle und Kontroll-Abgabe.

Habit:tat
(Seegras Zostera marina gestrickt, 100x150cm, 2021)


In der Arbeitsreihe Habit:tat beschäftige ich mich intensiv mit dem Material Seegras, einem Material, das an Urlaubsstrände angespült wird und in den meisten Fällen als muffiger Abfall abtransportiert wird. Durch die Verarbeitung erhält das Gras eine andere Daseinsberechtigung, einen anderen Wert. Gleichzeitig beschäftigt mich in der Arbeite meine eigene Haltung zum Meer/ zu Gewässern, die von einer sehr starken Anziehungskraft geprägt aber auch von einer großen Angst begleitet ist, die sich in meiner Kindheit entwickelt hat. Diese Gewohnheit des ängstlichen Umgangs (engl. Habit) möchte ich mir der Handlung (Tat) konfrontieren. Die einzelnen Seegräser habe ich in vielen Stunden watend aus der Ostsee gefischt, dort haben die Gräser meine Beine umspielt und mich immer wieder mit meiner Angst konfrontiert, nach und nach ließ diese mit der wiederholten Berührung insbesondere in der anschließenden Verabeitung nach. Das Umfeld/ der Lebensraum (Habitat) des Seegrases bietet einen weiteren Zugang zu meiner künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Material. Zuerst Teil des Meeresbodens und Lebensraum für Meerestiere - dann abgelebt, angespült und in ständiger Bewegung mit Wasser und Sand – später abtransportiert und vom Meer entfernt, auch durch mich. Für mich ist spannend welche Qualitäten das Material in seinem neuen Umfeld (Lebensraum, engl. Habitat) außerhalb des Wassers ausmacht und welche besondere Qualitäten es hat. Dabei beschäftigen und bekräftigen mich insbesondere die Arbeiten von Eva Hesse, Nicolas Floc'h, Olaf Holzapfel, Sheila Gowda, Leonor Antunes, Sheila Hicks, Robert Morris und Kyomi Wata. Es gab im Laufe der Arbeit immer wieder Momente, wo ich meine eigenen Erwartungen und Wünsche überdenken und hinter mir lassen musste und mich stärken darauf einlassen dem Material Raum zu geben. Dort wo die Anstrengung das Material in eine bestimmte Form zu zwängen zu groß war (beispielsweise bei einer großflächigen Weberei), habe ich mich entschieden mich neuen Formen zuzuwenden, die dem Material gerechter werden. Dabei bin ich zu einer gestrickten Decke gekommen. Die Decke als Symbol der Häuslichkeit, dem Aneignen des Fremden aber auch die Decke als Erinnerung an den Zustand des Seegrases, wenn es abgelebt auf der Wasseroberfläche schwebt und sich zum Strand tragen lässt.