Design (+) Anthropologie.
Was ist so besonders an der Anthropologie, der so genannten „Wissenschaft vom Menschen“, dass sie für Design von Interesse ist? Ist es der grundlegende methodische Ansatz der Feldforschung, nachdem wir, um etwas über Gender, Politik oder das Leben mit Designobjekten wissen zu können, zunächst untersuchen müssen, wie sie in der Praxis funktionieren? Oder liegt es an der historischen Ausrichtung der Anthropologie auf marginalisierte Communities, Wissensformen und Praktiken, die es wiederum erlauben, andere Arten des Wissens, der Wertschätzung und der Beziehung zur Welt zu kontemplieren und einzuüben? Vielleicht liegt es an der Verpflichtung der Anthropologie, von und mit den Menschen zu lernen, was oft erfordert, dass wir unsere Überzeugungen, ideologischen Rahmen, normativen Annahmen und kulturell bedingten Erwartungen beiseite lassen. Oder an der Tatsache, dass die Anthropologie eine kontextbezogene Wissenschaft ist, was bedeutet, dass wir eine Sache, eine Praxis oder einen Wert nicht außerhalb der vielen Kontexte verstehen können, in denen sie entstanden sind und existieren. Vielleicht ist es das Potenzial, dass sich aus diesen Elementen für ethische Fragestellungen, Kritik, Reflexivität und konzeptionelle und theoretische Kreativität im Bereich Design ergibt?
Gleichzeitig könnten wir auch fragen: Was hat Design, dass es für die Anthropologie interessant macht? Ist es eine Affinität, die darauf basiert, dass Menschen, wenn sie Dinge entwerfen immer auch Formen des Menschseins (mit)erschaffen? Oder dass Design dazu beiträgt, zu definieren, was es heißt, heute ein Mensch zu sein, und auch, wie wir uns die Menschheit weiter vorstellen könnten? Vielleicht kann die Angewohnheit der Anthropologie, die Gegenwart im Verhältnis zur Vergangenheit zu betrachten, die Angewohnheit des Designs ergänzen, in die Zukunft zu blicken (und umgekehrt)?
Natürlich gibt es nicht nur ein „Design“ oder eine „Anthropologie“ und somit auch nicht nur einen Weg, die möglichen Beziehungen zwischen Design und Anthropologie zu verstehen. In dieser Vorlesung sollen daher unterschiedliche Wege aufgezeigt werden, wie Design und Anthropologie – als unterschiedliche Arten des Wissens und Tuns – zusammenkommen, nicht als ein einheitliches Studien- und Praxisfeld, sondern als ein Raum der Begegnung, der Spannung und der gegenseitigen Beeinflussung. Die Studierenden lernen Kernelemente der Anthropologie kennen, indem sie sich mit ethnographischen Forschungsmethoden, materieller Kultur, nicht-westlichen Designansätzen sowie Design jenseits des Fachwissens, d.h. wie gewöhnliche Menschen Designer im Alltag sind, auseinandersetzen.