In diesem Seminar werden wir über die jüngsten Migrationsbewegungen anhand der Werke von Künstler*innen nachdenken, die Migration, Flucht, Überleben und Widerstand thematisieren. Wir beginnen mit der Analyse von Kunstwerken bei Künstler*innen mit Migrationshintergrund, die heute in Deutschland leben. Darüber hinaus schauen wir uns an wie sich historische Episoden erzwungener Massenmigration in Kunstwerken widerspiegeln. Die Spuren der langen Geschichte der Atlantischen Sklaverei wurden z.B. in diversen Kunstwerken bearbeitet (Grada Kilomba; Renée Green; Rosana Paulino), einige davon werden wir gemeinsam analysieren.
Der in Cotonou, Benin, geborene und in Hamburg lebende Künstler Georges Adéagbo ist eines der Beispiele für das Seminar. Er baut Installationen und Collagen aus Elementen, die seine mit der westlichen Kultur zusammenbringen. Die Arbeit der in Vietnam geborene Künstlerin Sung Tie wird ebenfalls Gegenstand unserer Betrachtung sein. Teil ihrer Forschung ist die Geschichte der Vertragsarbeiter in der ehemaligen DDR. Die kurdische Künstlerin Pınar Öğrenci, die auch in Deutschland lebt, hilft uns, über die Entstehung einer „multikulturellen“ Gesellschaft nachzudenken. Ihre jüngste Ausstellung „Glück auf in Deutschland“ (2024) zeigt anhand von Archivbildern die Geschichten der Gastarbeiter*innen des Ruhrgebiets. Daran wird deutlich, wie die Menschen, die Deutschland jahrzehntelang mit aufgebaut haben, bis heute migrantisiert im Hintergrund stehen. Auch Künstler*innen, die der zweiten Generation von Migrantenfamilien angehören, wie Nasan Tur als Deutscher mit türkischem Hintergrund, sind Teil des Programms. Mit einem größeren Verständnis für die kulturellen Codes der Gesellschaft, in der er aufgewachsen ist, wirft Tur einen kritischen Blick von „innen“ auf das System der Wissensproduktion.
Unser Fokus liegt auf der bildenden Kunst, aber Beispiele aus dem Kino (Apitchatpong Weerasethakul) und der Literatur (Emine Sevgi Özdamar) werden unsere Debatte über Migration und die heutigen Gesellschaften bereichern.
Wir werden gemeinsam darüber nachdenken, was eine Poetik der Vielfalt (Édouard Glissant) bedeutet, und wie Konzepte wie die Kreolisierung für die zeitgenössische Kunst heute von grundlegender Bedeutung sind. Um eine Atmosphäre der Vielstimmigkeit und der diversen Perspektiven zu kreieren, werden Gruppenarbeiten während des Seminars gefördert.